FF Brunsbüttel trägt Feuerschutzkleidung mit Doppel-Membransystem

2022-10-22 19:40:13 By : Ms. Ivy Ning

Neustadt in Holstein (SH) – Feuerschutzkleidung kann im Einsatz sowohl von außen als auch von innen nass werden: durch Regen, Löschmittel und durch Schweiß des Trägers. Um die thermische Isolation möglichst trocken zu halten und gleichzeitig eine hohe Atmungsaktivität zu bieten, hat Gore das Doppel-Membransystem Parallon entwickelt. Wir berichten, wie es funktioniert und welche Erfahrungen die Feuerwehr Brunsbüttel (SH) damit gemacht hat.

An die Besatzung: Feuer im Schiff, Feuer im Schiff, es brennt in Drei Zulu Drei…“, tönt es aus den Lautsprechern der „Köln“. Sofort kommt Bewegung in die ehemalige Fregatte, die im Einsatzausbildungszentrum Schadensabwehr (EAZS) der Marine in Neustadt in Holstein vor Anker liegt. Wie im Realfall übernimmt die militärische Schiffsbesatzung – ein Ausbildungslehrgang der Marine – die Einsatzleitung und den Erstangriff. Anzeige

Wenig später erhalten die militärischen Kräfte zivile Unterstützung von Landseite: Drei Einsatzfahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehr Brunsbüttel rücken mit Sondersignal an. Die Kameraden sollen bei der Schiffsbrandbekämpfung unterstützen. Zusammen mit einem Scout der Marine gehen sie als Brandabwehrtrupps an Bord des Schiffs.

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Bei dem Szenario auf dem umgerüsteten Brandübungsschiff gilt es nicht nur ein Feuer zu löschen, sondern auch Verletzte abzubergen. Für die Brunsbütteler ist eine solche Lage nicht neu. „Wir haben in der Feuerwehr eine Gruppe von rund 60 haupt- und ehrenamtlichen Einsatzkräften, die sich im Rahmen einer Schnell-Einsatz-Gruppe Schiffssicherung auf die Schiffsbrandbekämpfung spezialisiert hat“, erklärt Gemeindewehrführer Bernd Meier, der bei der Übung als Einsatzleiter der zivilen Kräfte fungiert. „Bei wasserseitigen Einsätzen können wir für das Havariekommando eine so genannte Brandbekämpfungseinheit (BBE) stellen.“

Ausgerüstet sind die Brunsbütteler mit Ultimate-Überjacken und -hosen der Firma S-Gard mit dem Gore Parallon System. Seit Herbst 2016 erhalten die Atemschutzgeräteträger der über 100-köpfigen Feuerwehr nach und nach diese Schutzkleidung. „40 Kombinationen konnten wir bereits beschaffen, weitere 50 sollen folgen“, berichtet Meier. Die Schutzkleidung erfüllt die höchste Leistungsstufe (2) nach EN 469:2005 (Schutzkleidung für die Feuerwehr – Leistungsanforderungen für Schutzkleidung für die Brandbekämpfung).

Ein wichtiges Argument für die Beschaffung war für die Feuerwehr Brunsbüttel das Gore Parallon System. „Dabei handelt es sich um ein neuartiges System aus zwei atmungsaktiven Membrann, zwischen denen sich eine textile thermische Isolation befindet“, sagt Meier. „Dadurch ist diese besser gegen das Eindringen von Nässe von innen und außen geschützt als bei den bisher üblichen Systemen mit nur einer Membran, wie wir sie vorher getragen haben.“

„Die EN 469 fordert eine Membran, gibt aber nicht vor, wo deren Position im Lagenaufbau sein soll“, erklärt Katja Christof, Produktspezialistin für Feuerwehrfunktionstextilien bei Gore. So müssten sich Beschaffer bei Ein-Membransystemen entscheiden, ob sie den Schwerpunkt eher auf Schutz oder auf Tragekomfort legen.

„Ist die Membran in Richtung Obermaterial ausgerichtet und die textilen Lagen darunter, verhindert die Nässesperre ein Eindringen von Wasser von außen in die Isolation“, sagt Christof. „Der Schwerpunkt liegt hier eher auf dem Schutz. Allerdings wird die Atmungsaktivität reduziert, der Schweiß kann nur bedingt nach außen entweichen. Dadurch wird die Isolation von innen feucht, was den thermischen Schutz verringert.“

Wenn die Membran innen liege und ein Teil der textilen Lagen außen, erhöhe das zwar die Atmungsaktivität und damit den Komfort. Aber die textilen Lagen könnten durch äußere Einwirkung wie etwa Löschwasser nass werden, wodurch sich der thermische Schutz noch drastischer verringere.

„Feuchte Bekleidung leitet Wärme 23-mal schneller als Luft“, erklärt die Produktspezialistin. „Ist die thermische Isolation nass, besteht bei Hitzebeaufschlagung die Gefahr von Verbrühungen.“ Schutz bei Nässe und gleichzeitig eine hohe Atmungsaktivität, um Hitzestress zu reduzieren, seien daher die wichtigsten Ziele bei der Entwicklung des Parallon Systems gewesen. „Bei unserem Doppel-Membransystem wird die thermische Isolation durch die äußere Membran vor dem Eindringen von Wasser und Chemikalien von außen geschützt“, sagt Christof. „Die zweite, (innen) zum Körper gerichtete Membran verhindert, dass Schweiß von innen in die thermische Isolation gelangen.“

Die EN 469 schreibe nur Tests mit trockener Schutzkleidung vor. Gore habe daher Prüfungen mit identisch konstruierten Bekleidungsteilen mit Gore-Membranen und gleichem Obermaterial mit unterschiedlichem Lageaufbau im Regenturm vorgenommen. „Es zeigte sich, dass Schutzkleidung mit Parallon System die geringste Wasseraufnahme und den niedrigsten Ret-Wert (Wasserdampfdurchgangswiderstand), also die höchste Atmungsaktivität, aufwies“, berichtet die Produktspezialistin. „Außerdem erfolgte die Rücktrocknung schneller als bei jeder anderen Lösung.“

Sowohl bei Nässe als auch bei Trockenheit habe die Schutzkleidung mit Parallon System die größte Konstanz bei der Hitzeschutzleistung aufgewiesen. „Dazu haben wir eine Situation simuliert, bei der starkes Schwitzen zu einer Durchnässung des T-Shirts des Trägers führt und von einem Szenario mit niedriger Hitzebelastung abgelöst wird, zum Beispiel bei einem kleinen Containerbrand oder in der Nähe eines brennenden Fahrzeugs“, so Christof. „Wir stellten fest, dass sich bei herkömmlichen Lösungen – im Unterschied zum Parallon System – der Hitzeschutz um bis zu 45 Prozent verringern kann.“

Da beim Zusammendrücken von Schutzkleidung die Gefahr des Wärmedurchgangs steige, habe Gore auch das Verhalten bei Nässe und Kompression getestet. „Wir haben simuliert, dass ein von außen nasses Bekleidungsteil mit leichter Schweißbildung innen in einer heißen Umgebung mit zirka 270 Grad Celsius Kontaktwärme zusammengedrückt wird“, berichtet die Gore-Mitarbeiterin, „was in der Praxis zum Beispiel beim Anlehnen an eine Oberfläche in Brandnähe geschehen kann.“

Das Parallon System habe beim thermischen Schutz (Wärmedurchgang) ebenso wie bei der Fluchtzeit bei Wärmeübertragung einen nahezu identischen Wert wie im trockenen Zustand geliefert. Dagegen seien bei herkömmlichen Lösungen bei Nässe eine um 75 Prozent reduzierte Wärmedurchgangszeit sowie eine um 66 Prozent verkürzte Zeit zwischen Schmerzempfinden und Verbrennung (Fluchtzeit) zu verzeichnen gewesen.

„Wir haben mit Schutzkleidung mit Parallon System auch Brandtests an Prüfpuppen durchgeführt – trocken, mit nasser Unterwäsche, von außen nass und sowohl von außen nass als auch mit nasser Unterwäsche“, sagt Christof. „Dabei konnten wir bei allen Szenarien eine sehr konstante geringe Verbrennungsrate beobachten.“ Das Parallon System stelle die Maximallösung dar. Aber nach wie vor habe Schutzkleidung mit nur einer Membran ihre Daseinsberechtigung. „Es kommt auf die Gefährdungsanalyse der Feuerwehr an, welche Variante sie wählt“, so Christof.

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„Uns war wichtig, dass die Schutzkleidung optimal für die Brandbekämpfung im Innenangriff geeignet ist“, sagt der Gemeindewehrführer. „Wir haben uns das Parallon System erstmals auf der Interschutz 2015 angesehen, wo es von Gore als Produktneuheit vorgestellt wurde. Unsere Arbeitsgruppe zur Beschaffung neuer Schutzkleidung hat dann von zwei Anbietern Testsätze angefordert, einen davon mit dem Doppel-Membransystem. Ausprobiert haben wir diesen auf einem Brandübungsplatz und im Einsatzdienst.“

So kam die Testmontur unter anderem bei zwei Zimmerbränden zum Einsatz. „Beide Male hatten die Trupps dank des Parallon Systems keine Nässe im Innern“, berichtet Meier. „So kam es auch nicht zum gefürchteten Wärmedurchschlag. Und selbst nach dem Waschen war die Schutzkleidung wie neu.“

Auf der „Köln“ ist das Feuer im Innern mittlerweile gelöscht. „Es war dort eng, heiß und verwinkelt“, berichtet der Brunsbütteler Hauptfeuerwehrmann Dirk van der Meulen, als er nach seinem Einsatz wieder an Land geht. „Aber bei der neuen Schutzkleidung dauert es deutlich länger, bis man die Hitze spürt, als bei der alten – selbst wenn man so schwitzt wie ich gerade. Gleichzeitig trägt sie sich leichter.“

Der Gemeindewehrführer sieht sich bestätigt: „Für unsere Einsatzkräfte wollten wir nur das Beste, denn Sicherheit und Komfort gehen beim Innenangriff vor“, betont Meier. „Das hat zwar höhere Ausgaben mit sich gebracht, aber die Mitglieder der Ratsversammlung unserer Stadt konnten unsere Argumentation nachvollziehen.“

(Text und Fotos: Michael Rüffer) [217]

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